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2017-05-29

Aristoteles Équipe erneut populär

Aristoteles Équipe erneut populär

Im Sommersemester 2016, in meinem  Seminar und Lektürekurs "Aristoteles' zoologische Schriften, mit einem Blick auf neuere Biologie" gab's eine Abstimmung dazu, was denn eigentlich der zweite rätselhafte Nautilus des Aristoteles (HA IV.1) sei: http://tiergeschichtliches.blogspot.de/2016/05/mpi-aristoteles.html (dort auch mehr zum Hintergrund). 

In meinem diessemestrigen Fortgeschrittenenseminar und Essaykurs "Meer und Meerestiere als das uns fremde uns ähnliche der Natur" habe ich in der Sitzung der vergangenen Woche (2017-05-24) die Frage danach, was dies rätselhafte Tier sei? erneut gestellt. 

Und auch diesmal hielten die Teilnehmer/innen die Erklärung, Aristoteles habe eine teilweise weit reisende Équipe gehabt für die relativ plausibelste:

Mitgebracht konnte das Tier nicht sein, da HA IV.1 Lebendbeobachtung liefert ("καὶ ἔξω ἐνίοτε τὰς πλεκτάνας προτείνει"/"und manchmal streckt er die Tentakel heraus")  und das was für uns Nautilus ist mit damaligen Mitteln nicht lebend vom derzeitigen Habitat (gleich welchem) nach Hellas trasportierbar war.
Für die Alternative "was andres" (ein als Cephalopode fehlbestimmtes Mittelmeerlebewesen) gab es keine einzige Stimme. (Ich vermute: Aristoteles Berichte zu Cephalopoden waren von solcher Qualität, dass eine Fehlbestimmung eines Nichtcephalopoden als Cephalopode durch Aristoteles unplausibel erschien.)
Scharfenbergs Hypothese: "gab's früher im Mittelmeer" (Präsenz von Nautilus [gleich welche Spezies] im Mittelmeer im 4. vorchristlichen Jahrhundert) erhielt 1 Stimme.
Und "Reisebericht eigene Mannschaft": Angaben in HA IV.1 auf Basis eines hinreichend vertrauenswürdigen Berichts von jemand aus Aristoteles' eigener Équipe, der einen lebenden Nautilus irgendwo dort wo Nautilus auch heute lebt beobachtet hat: erhielt 8 Stimmen: eine sehr klare Mehrheit.
(Enthaltungen gab es, nach meinen Unterlagen, keine.)

Und das gibt ernbeut Anlass zur Erwägung, wie man mit erträglichem Aufwand versuchen könne, zu einer halbwegs plausiblen Erklärung dazu zu kommen, wer wie in den ersten Jahrzehnten an der Entstehung von dem was für uns die De animalibus libri des Aristoteles sind (plus die Anatomien!) beteiligt war. 

Und es gibt Anlass zur Erwägung, dass "We have no idea" nicht nur für die Welt der Physiker/innen (cf. Cham & Whiteson 2017) gilt, und für vieles im Bereich der Biologie, sondern auch für manches was Texte (i.w.S.) antiker Tierkunde betrifft.





 







Jorge Cham & Daniel Whiteson: We Have No Idea : A Giuide to the Inknown Universe, New York : Riverhead books 2017
(Weitere Literaturangaben zum hier verhandelten: siehe tiergeschichtliches.blogspot.de/2016/05/mpi-aristoteles.html.



2016-05-06

MPI Aristoteles?

Zum letzten Cephalopoden des Aristoteles

Am Dienstag  dem 3. Mai 2016 haben wir in meinem Lektürekurs und Seminar "Aristoteles' zoologische Schriften, mit einem Blick auf neuere Biologie"  den anderen Nautilus (Nautilus 2) des Aristoteles besprochen. (der erste, Historia animalium (im folgenden: HA) IV.1   525a20sqq, ist unproblematisch und unstrittig als  Argonauta argo, oder eine andere Vertreterin der Gattung Argonauta, zu bestimmen).


Stelle und Problem

Zur Erinnerung: Aristoteles sagt (direkt an die Besprechung des von ihm als "ναυτίλος"/Nautilus bezeichneten Argonauten:
"
Καὶ ἄλλος ἐν ὀστράκῳ οἷον κοχλίας, ὃς οὐκ ἐξέρχεται ἐκ τοῦ ὀστράκου, ἀλλ' ἔνεστιν ὥσπερ ὁ κοχλίας, καὶ ἔξω ἐνίοτε τὰς πλεκτάνας προτείνει.
"
"
Καὶ ἄλλος ἐν ὀστράκῳ οἷον κοχλίας, ὃς οὐκ ἐξέρχεται ἐκ τοῦ ὀστράκου, ἀλλ' ἔνεστιν ὥσπερ ὁ κοχλίας, καὶ ἔξω ἐνίοτε τὰς πλεκτάνας προτείνει.
"
Das war's. dann nur noch 
"Περὶ μὲν οὖν τῶν μαλακίων εἴρηται."("Und damit Schluss mit den Weichtieren.")
"
Καὶ ἄλλος ἐν ὀστράκῳ οἷον κοχλίας, ὃς οὐκ ἐξέρχεται ἐκ τοῦ ὀστράκου, ἀλλ' ἔνεστιν ὥσπερ ὁ κοχλίας, καὶ ἔξω ἐνίοτε τὰς πλεκτάνας προτείνει.
"
Ich übersetze (in sehr enger Anlehnung an Scharfenberg 2001, p. 153s) :
"
Und der andere lebt in einer Schale wie eine Schnecke, er kommt nämlich nicht aus er Schale heraus, sondern innewohnt ihr wie die Schnecke, und manchmal streckt er die Tentakel heraus.
"
Nicht mehr als das.

 Auf den ersten Blick: ausreichend um as Tier als eines aus der Gattung zu bestimmen, die für uns heutige "Nautilus" ist.

Nach einem Blick auf das heutige Verbreitungsgebiet von Nautilus (gemäß Saunders 1987) hingegen:

kommen beträchtliche Zweifel.  Ziemlich weit weg das von Hellas.

(Nein, dass Aristoteles als Mitbringsel eine Nautilus-Schale erhalten haben könnte: hilft nicht weiter: zum einen erwähnt er deren charakteristische Kammerung nicht, zum zweiten aber, und vor allem: bezieht sich die Beschreibung auf ein lebendes Tier ["ἔξω ἐνίοτε τὰς πλεκτάνας προτείνει"/"manchmal streckt er die Tentakel heraus"]. Nein, dass Aristoteles an einen lebendig aus seinem derzeitigen Verbreitungsgebiet zu Aristoteles transportierten Nautilus gelangt sen könnte:  ist nach dem was Carlson 1987 zu den Voraussetzungen/Verfahren für Transport und Haltung in Gefangenschaft von Nautilus schreibt auszuschließen. Und selbst Kullmann 2014, pp. 78-112 nimmt keine Forschungsreisen des Arsitoteles in derart hellasferne Gegenden an.)

Daher ist  verschiedentlich vorgeschlagen worden, dass es sich bei dem am Ende von HA IV.1 (525a26-30) beschriebene um ein anderes Tier handelt, um eines, das wir heute nicht als "Nautilus" bezeichnen würden. Für einen Kurzüberblick siehe Davis 1987, p. 3s; für eine ausführliche Diskussion, mit Angabe der Gründe die die vorgeschlagenen Alternativtiere (Männchen des Cephalopoden Ocythoe tuberculata, in einer leergefressenen Salpenhülle lebend, oder eine Meeresschnecke der Gattung Janthina) für unplausible Ersatztiere für einen Nautilus zu halten: siehe Scharfenberg 2001, pp. 172-192.



Lösungen


Damit haben wir folgende Alternativen:
  1.  Es gab zur Zeit des Aristoteles Nautilus noch im Mittelmeer oder in dessen nährerer Umgebung.
  2. Jemand aus Aristoteles' Équipe war in hellasferne Gegenden gereist, und hat dort einen Nautilus gesehen, und Bericht erstattet ("MPI Aristoteles" : dies setzt voraus, dass Aristotles eine Forschergruppe hatte/war, die groß genug war um derlei Reisen zu ermöglichen.)
  3. Es handelt sich bei dem Tier das am Ende von HA IV.1 beschrieben wird um ein anderes Tier als das was für uns heute "Nautilus" ist.
  4. Die Textstelle ist unverständlich.

Die Alternativen wurden im Lektürekurs/Seminar zur Abstimmung gestellt:
:

  1.  Es gab zur Zeit des Aristoteles Nautilus noch im Mittelmeer oder in dessen nährerer Umgebung. 2 Stimmen
  2. Jemand aus Aristoteles' Équipe war in hellasferne Gegenden gereist, und hat dort einen Nautilus gesehen, und Bericht erstattet ("MPI Aristoteles" : dies setzt voraus, dass Aristotles eine Forschergruppe hatte/war, die groß genug war um derlei Reisen zu ermöglichen.) 7 Stimmen
  3. Es handelt sich bei dem Tier das am Ende von HA IV.1 beschrieben wird um ein anderes Tier als das was für uns heute "Nautilus" ist. 2 Stimmen
  4. Die Textstelle ist unverständlich. 0 Stimmen (? ich erinnere mich da nicht genau, und das Erinnerungsfoto reicht da nicht weit genug runter auf der Tafel. Sorry!).


Was die Alternative 3 ("Es handelt sich bei dem Tier das am Ende von HA IV.1 beschrieben wird um ein anderes Tier als das was für uns heute "Nautilus" ist") betrifft: wurde von einer Studentin die (m.W. bislang noch nicht in der Literatur zu dieser Stelle angeführte)  Lösung einer mutierten Argonauta genannt, und von einem Studenten die Lösung dass es sich um ein unbekanntes Tier einer hier noch icht genannten Art oder Gattung handele.


 Corrolarium

Damit ergibt sich mal wieder da Desiderium/Desiderat jemand möge untersuchen wieviel Mindestzeitaufwand erforderlich war/ist/sein würde, um das an Sachinformationen zu gewinnen, was wir in den Tierbüchern des Aristoteles (insbes. HA, PA, GA) haben: Wieviele Personenjahre? Wieviel Zeit ist für welche Sektion welchen Tieres und deren Dokumentation zu rechnen? Wieviel Zeit für das Beschaffen der Tiere? Wieviel Zeit für Beobachtung und Dokumentation? (&c &c?)
Sollte sich jemand dieser Aufgabe (die meiner derzeitigen Schätzung nach rund 3 Personenjahre zur Bearbeitung [inkl. der Zeit des Wartens auf Antworten von Biologisch-technischen Assistent/innen , Zoolog/inn/en, Medizinern] brauchen dürfte) annehmen wollen: Sollte sich jemand dieser Aufgabe annehmen wollen: so bitte ich sich bei mir zu melden!


Literatur



Aristoteles (ed. David M. Balme (ed. Allan Gotthelf)): Historia Animalium : Volume I: Books I-X: Text, Cambridge : Cambridge University Press 2002
 

Laila N. Scharfenberg: Die Cephalopoden des Aristoteles im Lichte der moderenen Biologie, Trier: Wissenschaftlicher Verlag 2001
 

W. Bruce Saunders & Neil H. Landman (edd.): Nautilus : The Biology and Paleobiology of a Living Fossil, New York and London : Plenum Press 1987
Richard Arnold Davies: Nautilus Studies – The First Twenty-Two Centuries, in: W. Bruce Saunders & Neil H. Landman (edd.):Nautilus : The Biology and Paleobiology of a Living Fossil”, New York and London : Plenum Press 1987, pp. 3-21
Bruce A. Carlson: Collection and Aquarium Maintenance of Nautilus, in: W. Bruce Saunders & Neil H. Landman (edd.):Nautilus : The Biology and Paleobiology of a Living Fossil”, New York and London : Plenum Press 1987, pp. 563-678
Aristoteles (ed. & trans. A. L. Peck); History of Animals : Books IV-VI, Cambridge, Massachusetts & London : Harvard University Press 1970